Soziale Verantwortung – okay.
Aber was ist persönliche Verantwortung?
Ich lese in Jesper Juuls Buch „Das kompetente Kind“ und bin konfrontiert mit „persönlicher Verantwortung“. Ehrlich gesagt, ist mir gar nicht so bewusst was damit gemeint ist!
Wir erziehen in der Regel unsere Kinder zu sozialer Verantwortung. Einverstanden.
D.h. sie wachsen in einer Gesellschaftsform auf, die auf Nehmen und Geben beruht. Ich bringe mich bewusst oder unbewusst in diese Form ein. Einfach gesagt ist soziale Verantwortung:
Hilfsbereitschaft, Einfühlsamkeit und Rücksichtnahme.
Voraussetzung für die Entwicklung zu sozialer Verantwortung ist die Eigenverantwortlichkeit. Ich stehe für das was ich tue ein und bin dafür verantwortlich. Jesper Juul schreibt von zwei Voraussetzungen für gelingende soziale Verantwortung:
- Wir leben als Eltern diese soziale Verantwortung vor. Wir verhalten uns gegenüber dem Partner und anderen Menschen, verantwortlich.
- Wir erkennen den Drang unserer Kinder danach an zu kooperieren.
Hier gilt, dass wir als Erwachsene von unseren Kindern wieder als Vorbild fungieren, d.h. unser Verhalten ist für sie prägend und beispielhaft. Wir können viele Erzählen, doch zählt letztendlich wie wir uns dann verhalten! Wir werden auf unsere „Echtheit“ überprüft.
Persönliche Verantwortung der Kinder
Kinder können bereits früh für bestimmte Lebensbereiche Verantwortung übernehmen. Das umfasst die Sinne, die Gefühle und die Bedürfnisse. Sie können tatsächlich bereits früh entscheiden, ob sie müde sind, oder ob sie fröhlich oder traurig sind, ob sie hungrig oder durstig sind, ob sie Nähe oder Distanz wollen.
Konkret:
Die Sinne – z.B. beim Essen was schmeckt und was nicht. Was gut riecht und was nicht etc.
Die Bedürfnisse – z.B. zu wissen wann man Hunger oder Durst hat, müde ist, kuscheln will oder auch nicht.
Weitere Lebensbereiche sind später: Freizeitinteressen, Bildung, Kleidung und Aussehen etc.
Erziehungsfalle: Aus Nichtwissen zu erziehen und so zu agieren wie unsere Eltern! Denn oft waren sie sich einfach nicht bewusst, was ihre Erziehung bewirken würde. Dass ein Kind selbst entscheidet, ein Unding. Dem Kind seinen Willen lassen, unglaublich… Hieraus resultiert ein Machtkampf zwischen Kind und Erwachsenem. In der Regel verliert das Kind diesen Kampf.
Das Kind strebt einerseits nach Unabhängigkeit und Integrität und der Erwachsene möchte andrerseits seine Macht nicht verlieren, weil er denkt, dass diese zum Erziehungserfolg führt.
Machtausübung im Bereich der persönlichen Verantwortung verhindert aber Integrität, Verantwortlichkeit und Selbstgefühl.
Ein grundlegender Baustein für die persönliche Verantwortung, die wir unseren Kindern beibringen dürfen sind zuerst wieder wir Eltern. Egal ob Mama oder Papa. Wir müssen uns selbst „ernst nehmen“, um auch unseren Kindern beizubringen, dass sie sich ernst nehmen dürfen und sogar sollen. Dabei spielt der Ton, also wie wir etwas sagen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jesper Juul sagt, dass es allein mit den Worten „ernst nehmen“ nicht getan ist. Es bedeutet auf verschiedenen Ebenen wahrzunehmen und zu agieren:
- Das Recht des anderen nach Bedürfnis, Lust, Erleben anzuerkennen und gleichzeitig diese Gefühle zu spiegeln und zu „verstehen“
- Sich in seine Welt , seine Bedürfnisse zu versetzen und seine Wirklichkeit kennenzulernen
- Mit Verständnis auf die Bedürfnisse einzugehen und sich gleichermaßen ernst zu nehmen
Beispiele:
Nicht so: Wir haben am Wochenende frei. Was würdest du gerne machen?
Sondern so: Wir haben am Wochenende frei und würden gern einfach nur zu Hause sein und abschalten. Was meinst du, was wir machen sollen?
Nicht so: Hast du keine Lust heute Nachmittag mit Papa im Garten zu arbeiten?
Sondern so: Ich möchte gern, dass du mir heute Nachmittag im Garten hilft.
Der Unterschied ist klein, aber letztendlich doch immens! Das eigene Empfinden der Situation und das eigene Bedürfnis ist in den „sondern so“-Fällen ausformuliert.
Quelle: Jesper Juul „Das kompetente Kind“
Eltern sollten ihren Kindern gegenüber verantwortlich und treu sein. Sie sollen sich selbst nicht verleugnen, müssen zu ihren Ansichten und Erfahrungen stehen – dabei nur nicht ihre Kinder zwingen wie sie selbst zu sein